Entwicklung einer neuen Klasse von Wirkstoffen als anti-Sepsis Medikament und generelle Mikrobiozide

Die Einschätzung von Infektionen hat sich in den letzten 30 Jahren radikal gewandelt. Während noch bis in die 80’er Jahre der Glaube vorherrschend war, dass mit Antibiotika zumindest alle bakteriellen Infektionen behandelbar sind (siehe Abb. 1), ist die allgemeine Sicht der Dinge völlig verändert: Bakterielle Infektionen sind eine zunehmende weltweite Bedrohung der menschlichen Gesundheit, in der ‚Dritten Welt‘ sind sie sogar die häufigste Todesursache (siehe Abb. 2).

 

Neben der direkten Bedrohung durch die Bakterien bzw. deren ‚Pathogenitätsfaktoren‘ (bakterielle Produkte, die für den Ausbruch der Infektion verantwortlich sind), sind bakterielle Infektionen auch häufig die Folge einer vorhergehenden Virusinfektion. Das bekannteste Beispiel dafür ist die ‚Spanische Grippe‘, die in den 1920’ern Jahren weltweit 20-30 Millionen Todesopfer zur Folge hatte. Die Todesursache bei den meisten dieser Infizierten war eine bakterielle Blutvergiftung (medizinisch Sepsis). In ähnlicher Weise gilt dieses auch für die ‚Schweinegrippe‘, bei der glücklicherweise bislang nur sehr wenig Todesopfer zu beklagen sind.

Auch das Auftreten von bakterieller Resistenz, gefördert unter anderem durch falsche Antibiotikamedikation und dem maßlosen Einsatz der Antibiotika in der Tierzucht, stellt eine zunehmende Bedrohung dar. Bekannteste Keime sind MRSA (Methicillin- oder multi-resistente Staphylococcus aureus), VRE (Vancomycin-resistente Enterocokken), und FQRP (Fluorquinon-resistente Pseudomonas aeruginosa).

In den letzten Jahrzehnten haben die Pharmaunternehmen nur zwei neue Klassen von Antibiotika auf den Markt gebracht, die auch nur gegen einen Teilbereich der Bakterien Wirkung zeigten. Insbesondere stehen – bis auf eine Ausnahme, die aber nur wenige Patienten betreffen – keinerlei effektive Medikamente gegen die Blutvergiftung zur Verfügung. Dieses Symptom tritt neben dem oben gesagten bei Patienten auf, die eine Vorschädigung erlitten (Brandverletzung, Unfall, Operation etc.) und bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Die Zahlen in Deutschland sind niederschmetternd. Offiziell sind es zumindest 70.000 Tote/Jahr, man kann aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sagen, dass die reale Zahl doppelt so hoch ist, da von Ärzten oftmals als Todesursache bei schwer Infizierten eine Folgeerscheinung der Sepsis wie Organversagen angegeben wird, oder eine Lungenentzündung, die zu einer Sepsis  führt, und nicht die eigentliche Ursache eines septischen Schocks (Feststellung von Prof. K. Reinhart in ‚Bild der Wissenschaft‘).

Der Grund für die Zurückhaltung der Pharmafirmen in der dringend nötigen Entwicklung  liegt zum einen darin begründet, dass diese sich allgemein aus der Grundlagenforschung zurückgezogen haben  (die ‚forschenden Pharmaunternehmen‘  sind heutzutage weitgehend eine Fiktion, insbesondere im Bereich der Entwicklung von Anti-Infektiva) und sich eher damit begnügen, kleine innovative Unternehmen aufzukaufen, wenn diese über eine Erfolg-versprechende Entwicklung verfügen. Zum anderen hatten Pharmaunternehmen schlechte Erfahrungen im Bereich der klinischen Phasen III, die für eine Zulassung zum Medikament unentbehrlich sind, bei verschiedenen vorgeschlagenen anti-Sepsis-Therapeutika (z.B. Antikörper gegen Endotoxine, gegen Botenstoffe etc.) gemacht (‚Geldfriedhof‘ der Pharmaindustrie‘).

Die Ursache von schweren zur Sepsis führenden Infektionen, die in ca. 50 % aller Fälle auf Intensivstationen zum Tode führen, liegt in der Freisetzung von bakteriellen Produkten (‚Endotoxine‘, Lipoproteine) aus den Zellwänden der Bakterien, die dann mit Zellen unseres Immunsystems in einer heftigen, unkontrollierten Reaktion sog. Botenstoffe in einer Weise produzieren, die zu einer Selbstvergiftung des Körpers führen. Oftmals führt gerade der Einsatz von Antibiotika nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Verschlechterung des Zustandes der Patienten, da die Bakterien zwar getötet, aber die für die Entzündung verantwortlichen bakteriellen Produkte nicht neutralisiert werden.

In häufigen Fällen sind nicht von außen (aus der Umgebung oder von der Hautoberfläche) einfließende Bakterien, sondern körpereigene dafür verantwortlich, die aus einem inneren Körperbereich (i.w. Darm), in dem sie eine positive (symbiotische) Wirkung entfalten, in den Blutkreislauf gelangen, und dort ihre verheerenden Wirkungen entfalten.

Es ist aber nicht unbedingt nötig, daß es ganze Bakterien sind, sondern die Existenz der obengenannten bakteriellen Produkte ist völlig hinreichend, um eine Sepsis auszulösen. Daher ist es häufig auf Intensivstationen so, dass im Blutkreislauf keine Bakterien gefunden werden, der Patient aber trotzdem schwer krank ist. Eine Begriffsbestimmung der verschiedenen Symptomatiken ist im folgenden Bild zusammengefasst.

Wir haben eine neue Klasse von Medikamenten (genannt synthetische anti-LPS Peptide, SALP, mit der Leitstruktur Aspidasept®) entwickelt, die direkt auf die Bekämpfung der eigentlichen Ursache der Infektionen, den entzündungsauslösenden bakteriellen Produkten, ausgerichtet ist, und weniger auf die Zerstörung der Bakterien. Das letztere, hervorgerufen durch konventionelle Antibiotika, führt häufig auf Intensivstationen erst zur massiven Ausprägung der Blutvergiftung, da die bakteriellen Produkte nicht zerstört werden.

Das Projekt befindet sich in einer fortgeschrittenen präklinischen Phase, in der gemäß nationalen und internationalen Richtlinien an zwei Tiermodellen (Ratte und Beagle) erst einmal die Unbedenklichkeit des Medikamentes getestet werden muss (‚Tiertoxikologie‘).

Einige Worte zum Marktpotential: Die Kosten der Behandlung von Sepsis-Patienten auf Intensivstationen in den USA betragen etwa 17 Milliarden $ jährlich, für Deutschland dürften die Kosten etwa ein Drittel davon sein (entsprechend der Bevölkerungszahl). Es kann veranschlagt werden, dass der Umsatz für ein gutes Mittel gegen Sepsis jährlich im Bereich von Milliarden Euro liegt. Dieses geht auch daraus hervor, dass ein nur für einen kleinen Teil von Sepsispatienten (einige %) geeignetes Medikament,  Drotrecogin Alpha (Xigrisã von Lily), einen Umsatz von 192 Millionen $ jährlich erzielte (dieses Medikament wurde im Oktober 2011 vom Markt genommen aufgrund offensichtlicher Unwirksamkeit).

Neben der antiseptischen Wirkung zeigen die SALP auch die Fähigkeit, Vireninfektionen effektiv aufzuhalten. Dieses gilt für verschiedene Grippeviren (z.B. saisonale Influenza H3N2), für mehrere Gruppen von Herpesviren (z.B. Lippen- und Genitalherpes), für das humane Immunodefizienzvirus HIV, für die Hepatitis B und C und Cytomegalo-Viren, für das Denguefiebervirus sowie für das Virus der klassischen Schweinepest.

HIV-Infektionen und daraus resultierende AIDS-Erkrankungen stellen eine große medizinische Herausforderung dar: Insgesamt sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ende 2006 etwa weltweit 39,5 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert, wobei die Zahl der Neuinfektionen besonders in Osteuropa und Zentralasien dramatisch ansteigt. In Nordamerika und Westeuropa kommt es derzeit jährlich zu 65.000 neuen Infektionen. In diesem Teil der Welt leben derzeit 2.1 Millionen Infizierte. Etwa ein Drittel dieser Patienten wird mit hochaktiver antiretroviraler Therapie (HAART) behandelt. Das jährliche Marktvolumen für HIV-Medikamente allein in Nordamerika und Westeuropa wird auf etwa 10 Milliarden Euro geschätzt. In Anbetracht der weltweit steigenden Infektionsraten ist zudem für viele Jahre mit einem deutlichen Marktwachstum zu rechnen.

Ca 350 Millionen sind weltweit chronisch an Hepatitis B erkrankt, was in vielen Fällen zu Leberzirrhose und Leberkrebs führt. Es gibt zwar eine Hepatitis-Schutzimpfung, aber kein wirksames Medikament dagegen.  Daher gäbe es auch für diese Krankheit ein potentielles Therapeutikum. Dieses gilt in ähnlicher Weise für die Behandlung der saisonalen Grippe, und wahrscheinlich auch für die der ‚Schweinegrippe‘ (Serotyp H1N1).

Somit steht ein Medikament zur Verfügung, das über ungewöhnlich breite anti-infektive Einsatzmöglichkeiten verfügt.